Brauchtum in Kärnten

Die Kärntner Bräuche sind historisch gewachsen. Sie unterliegen den Gesetzen der Entwicklung und ändern sich auch mit der Zeit.
Kärntner Brauchtum ist nichts Fertiges. Die Bräuche entstehen, verlieren an Bedeutung, entarten manchmal auch oder gehen überhaupt unter. Ständig werden sie jedoch „gebraucht“, was dem Wort „Brauchtum“ auch seinen Sinn gibt.

Die Kärntnerin und den Kärntner kennenzulernen erleichtert die Kenntnis ihres Brauchtums. Brauchtum ist das Spiegelbild ihrer Seele. Bräuche zu verstehen ist nicht immer leicht. Die Elemente des Kärntner Brauchtums stammen oft von mehreren Völkern, Kulturen und Religionen. Sie stammen manchmal vom Altertum, oft von den Kelten, Germanen und Römern und Ursprünge liegen auch im Christentum und in der heidnischen Überlieferung.

Vieles ist heute zur Dekoration geworden. Aus Brauchtum wurde „Folklore“, gewissermaßen eine Säulenheilige des Tourismus, die ihre Zuständigkeit für die Vermarktung des Brauchtums findet. Echtes, bodenständiges Brauchtum zu finden und zu erhalten ist jedoch für die Kärntner Bevölkerung zum Anliegen geworden. Der speziell für die Brauchtumsförderung gegründete Kärntner Brauchtumsverband, hat sich u. a. zur Aufgabe gemacht, das Wissen über bodenständiges Brauchtums in die Kindergärten und Volksschulen zu bringen. Im Verein mit den großen volkskulturellen Verbänden Kärntens wird Brauchtum zu einem geistigen Lebensmittel und seelischen Haltegriff in einer überaus rationalen Welt unserer Computerkultur.

Kärntner Brauchtum erlebt man in drei Kreisen. In erster Linie ist es der „Jahreskreis“, der mit den Brauchhandlungen des Jahresbeginnes anfängt, sich im Faschingsbrauchtum und Frühlings-brauchtum fortsetzt um zur Osterzeit in einer großen Zahl von Brauchhandlungen einen ersten Jahreshöhepunkt findet. Danach folgen die schönen Brauchfeste des Mais, es kommen die Kirchtage, der Erntedank, das Totengedenken und mit den Weihnachten schließt sich dieser große Brauchtumskreis.

Auch der zweite Brauchtumskreis, das Lebensbrauchtum, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Mit der Geburt und anschließenden Taufe verbindet man wieder stärker traditionelle Brauchhandlungen. Das Kärntner Hochzeitsbrauchtum bildet naturgemäß den Lebenshöhepunkt und mit dem Tod schließt sich auch dieser Kreis.

Der dritte Kreis, das Tagesbrauchtum, ist weitgehend untergegangen. Es gehörte das Gebet am Morgen dazu, das u.a. vom Acker aus in Richtung Kirche gesprochen wurde. Die übergroßen Christophorus-Abbildungen an den Außenwänden der Kirchen erinnern daran. Auch die Andacht am späten Nachmittag war Teil des Tagesbrauchtums.
Das Kleiden, Grüßen und Verhalten zu Tisch wurde hingegen durch die sog. Sitten geregelt, die eine Übereinkunft der Menschen untereinander ohne Einbindung göttlicher Kraft darstellen.

Die Kärntner Bevölkerung ist mit dem Brauchtum eng verbunden. Sie empfindet es als traditionelles Bindeglied der Menschen dieses Landes, die ohne Ansicht des Ranges, Standes und der Religion eine Gemeinschaft bilden.

Wolfgang Lattacher
4. 8. 2011