Traditionen und Trachten Kärntens

Die Tradition, also die Übergabe der Gepflogenheiten, Konventionen, Bräuche, Sitten usw. spielt in Kärnten eine bedeutende Rolle. Traditionen bezogen auf das Brauchtum und kulturelle Erbe begegnet man im Jahresbrauchtum, Lebensbrauchtum (Geburt/Taufe, Hochzeit, Tod) und teilweise noch im Tagesbrauchtum (Messen, Grüßen, Kleidung). Auch bei diversen Dorffesten und im Zusammenhang mit kirchlichen Feiertagen trifft man auf Brauchhandlungen. Traditionell geprägt ist auch das Essen und Trinken, Teile der Arbeit, das Wohnen und vor allem die Kleidung.

Vielfältig wie die Kärntner Volkskultur, vielgestaltig wie die Landschaft dieses Landes, ist seine historisch entwickelte Gemeinschaftskleidung, die überwiegend brauchtümlich getragen wird, nämlich seine Trachten.

Leinen, Loden, Leder und Ras wurden früher als Material für die Arbeitskleidung verwendet. Für festliche Zwecke dienten Seiden, Brokate, Samt und Wollstoffe.
Die älteren Grundformen der Kärntner Trachten sind erkennbar an den langen oder kurzen, reich in Falten gelegten Röcken der Frauen.
Typisch waren die blauen Leinen- und schwarzen Seidenschürzen.
Die Leibkittel waren geblumt, gestreift und kariert. Im Laufe der Zeit kamen auch bunte Seidenschürzen hinzu.
Die einfachen Arbeitsdirndl sind noch heute in den „Sommerdirndln“ die in unterschiedlicher Farbstellung für alle Haupttäler Kärntens zur Verfügung stehen, dem Trachtenkundigen erkennbar. Sie haben sich um das 17. Jh. entwickelt. Die festlichere Gewandung der Frauen und Männer ist mit einigen Ausnahmen in der Biedermeierzeit von 1815 bis 1848 entstanden. Bis dahin regelten die Theresianischen Kleiderge- und verbote ein bescheidenes Aussehen und die zulässige Trageart der Trachten. Um die Jahrhundertwende gab es in Kärnten das große Trachtensterben. Es wurde durch die Mode der städtischen Bevölkerung ausgelöst. Als Folge des 1870/80 aufgekommenen Eisenbahnbaues kam es zur sog. Sommerfrische. Die Modekleidung traf auf die Trachtenkleidung des Landes und verdrängte die von der Kärntner Urtracht keltisch geprägte ländliche Trachtenkleidung. Lediglich jene Trachten, die an das Brauchtum gebunden waren, blieben auch in der dunkelsten Zeit unserer Kärntner Trachten in Verwendung. Die Rosentaler Festtracht wurde im Zusammenhang mit dem Hoch-zeitsbrauchtum „gebraucht“. Die Untergailtaler historische Tracht ist bis heute an den Brauch des Kufenstechens gebunden und die Tracht des Lesachtales wird zum Kirchgang getragen. Darüberhinaus gibt es auch kleinere Gruppen, die alte Kärntner Trachten vorbildlich pflegen. Im Laufe der Zeit sind durch die Tiroler Volkskundlerin Dr. Gertraud Pesendorfer und vor allem Hofrat Dr. Franz Koschier die verschwundenen Trachten wieder in erneuerter Form der Bevölkerung zurückgegeben worden. Menschen, Land und Zeit haben zur Entstehung der Trachten beigetragen. Die Trachten der städtischen Bürger- und Goldhaubenfrauen, der Bürger- und Schützengarden sind hiefür weitere wichtige und schöne Beispiele.
Heute kann Kärnten über einen beachtlichen Trachtenbestand verfügen, dessen Authentizität durch das „Trachtenarchiv“ des gemeinnützigen Vereines Kärntner Heimatwerk gesichert ist.

Wolfgang Lattacher, 5. 8. 2011